Capsumed: „Wir stellen personalisierte Produkte für die breite Bevölkerung her.“
Das Unternehmen mit Sitz in Mattsee ist auf Herstellung, Vertrieb, Logistik und Lagerung von Nahrungsergänzungsmitteln für B2B und B2C spezialisiert. Mehr über das Unternehmen selbst lesen Sie bei Innovation in der Praxis. Wir haben mit Capsumed-Geschäftsführer Peter Weinert darüber gesprochen, warum Innovation den Menschen nützen muss, welche Rolle Transparenz dabei spielt und warum die Datengeschwindigkeit über hop oder top eines Standorts entscheidet. Außerdem hat er uns im Interview verraten, warum personalisierte Produkte heute eine Renaissance erleben und wie viel Innovation darin steckt.
Herr Weinert, was bedeutet Innovation für Sie?
Wir bei Capsumed möchten, dass unsere Produkte unseren Kund:innen und Konsument:innen nützlich sind. Unsere personalisierten Nahrungsergänzungsmittel sind das. Dass wir als Hersteller Wissen so transparent preisgeben, wie wir es tun, ist bestimmt auch eine Innovation für unser Unternehmen und unsere Branche. So können Kund:innen sehr frühzeitig in den Geschäftsprozess miteingreifen.
Also ist Transparenz ein Innovationsgrad für Sie?
Das denke ich schon. In der Vergangenheit war es meistens so, dass die Geschäftskund:innen mit einer groben Vorstellung eines Produkts zu uns gekommen sind. Dann haben wir uns an die Arbeit gemacht, das Produkt entwickelt und umgesetzt. Erst das Endergebnis wurde den Kund:innen gezeigt. Das ist aber oft sehr hinderlich, zum Beispiel, wenn man aneinander vorbeigeredet hat. Deswegen glaube ich, dass es eine Innovation ist, durch die zur Verfügung stehenden digitalen Instrumente, die Kund:innen viel früher einzubinden. Das spart Zeit, Geld und Ärger – für beide Seiten.
Was ist die Vision von Capsumed?
Wir wollen als Unternehmen in Zukunft auf zwei Feldern eine gewisse Marktführerschaft erreichen: in der Servicequalität und bei personalisierten Nahrungsergänzungsmitteln. Die Bedeutung von Letzterem wird in den nächsten Jahren wachsen.
Warum ist das so?
Personalisierung zieht sich durch viele Bereiche der Wirtschaft, nicht nur durch Medizin und Lebensmittel. Vor etwa hundert Jahren war fast alles personalisiert. Da ist man zum Schuster gegangen und hat seine Schuhe selber herstellen lassen. Dann war das nicht mehr so „in“ und Massenware war angesagt. Man musste ein Standardprodukt mit einem gewissen Namen von einer gewissen Marke besitzen. Heute geht der Trend wieder dazu, sich von der Masse abzuheben. Die Tendenz zu personalisierten Produkten ist also eine gesellschaftliche Entwicklung.
Macht Personalisierung im Lebensmittelbereich Sinn?
Ja, das macht gerade hier Sinn. Denn Ernährung hat den Zweck, dem Menschen als Individuum die richtige Nährstoffkombination zuzuführen. Denn jede Person hat einen anderen Bedarf: Eine Sportlerin, die einen Marathon läuft, hat ein anderes Ernährungsprofil als ich, der den ganzen Tag über meist im Bürostuhl sitzt und Kopfarbeit leistet.
Wie entsteht ein personalisiertes Produkt?
Dafür brauchen wir zuerst die Nährstoffbilanz der Konsument:innen. Diese füllen online einen Fragebogen mit 26 Fragen aus. Dieser wurde in einem interdisziplinären Team von Ernährungswissenschafter:innen, Biochemiker:innen und Mediziner:innen entwickelt. Die Fragen sind so konzipiert, dass sie ein Maximum an Aussage über die physiologische Konstitution der Konsument:innen treffen.
Was passiert, nachdem der Fragebogen ausgefüllt wurde?
Die Konsument:innen bekommen dann automatisch per E-Mail eine Auswertung ihres Zustandes mit der Nährstoffbilanz zugesendet. Die personalisierte Rezeptur ist auch schon dabei. Diese zeigt, welche Zutaten in welchem Verhältnis enthalten sind. Man kann dann über einen Link sein personalisiertes Produkt bei uns im Onlineshop bestellen. In dem Moment, wo der Kaufpreis bezahlt wurde, wird bei uns im System automatisch die Freigabe der Rezeptur für die Produktion erteilt. Das Produkt wird dann manuell nach einer bestimmten Herstellungsanweisung, die mit einer verschlüsselten Identifikationsnummer (ID) versehen ist, gefertigt. Diese ID zieht sich über den gesamten Herstellungsprozess und macht möglich, dass die Konsument:innen per E-Mail automatisch den jeweiligen Status ihres Produkts erfahren. So wissen die Kund:innen immer, was mit ihrem personalisierten Produkt passiert, bis sie es zugestellt bekommen haben.
Welche technologischen Voraussetzungen braucht man, um so eine Personalisierung für viele Menschen umzusetzen?
Basis für die Personalisierung ist eine Rohstoffdatenbank, die wir eigens dafür entwickelt haben. Dort sind pro Rohstoff etwa 50-60 Informationen eingegeben, damit können wir den Rohstoff richtig klassifizieren. Dann haben wir auch noch eine Wirkstoffdatenbank entwickelt, in der man basierend auf wissenschaftlichen Studien herauslesen kann, welche Wirkstoffe für was angewendet werden können. Also zum Beispiel Vitamin C, wie es im Körper wirkt und für was es gut ist. Die Datenbanken sind auch für unsere Geschäftskunden zugänglich.
Kommen wir zum Thema Förderungen: Welche Rolle bei der Entwicklung von Innovationen spielen Förderungen?
Ganz grundsätzlich muss man verstehen, dass sich die Fördertöpfe durch das Steueraufkommen von Unternehmen und der Gesellschaft füllen. Steuern werden gezahlt, damit der Staat zum Beispiel die Entwicklung der Wirtschaft fördern kann. Deswegen sollte man meiner Ansicht nach auch die Fördertöpfe nutzen. Auch können Förderungen dabei helfen, Entscheidungen von Gesellschaftern und anderen Stakeholdern voranzutreiben. Denn wenn man für ein Projekt schon mal öffentliche Fördermittel zur Verfügung hat, spricht das für das Vorhaben.
Ich finde es gut, dass es viele verschiedene Fördermittel gibt, die meistens stufenweise aufgebaut sind. So kann man sich an das Thema herantasten und den Förderantrag mit Unterstützung von externen Firmen wie der ITG ins Laufen bringen. Diese Hilfe zur Selbsthilfe finde ich sehr gut. Das Aufsetzen eines Förderantrags hilft außerdem bei der Strukturierung des geplanten Projekts. Denn man muss sich früh Gedanken über Aufbau, Kosten oder ähnliches machen. Generell entlasten Fördermittel ein Unternehmen finanziell und dienen als Sicherheitspuffer, unabhängig von der Projektgröße.
Thema Standort Salzburg: Capsumed ist in Mattsee angesiedelt. Die Schwesterfirma KS Pharma im benachbarten Oberösterreich. Welche Rahmenbedingungen brauchen Unternehmen in Salzburg?
Also die Grundstückspreise im Land Salzburg sind nicht unbedingt ein Vorteil für Betriebe, die große Flächen brauchen. Auch sind viele Flächen bereits verbaut und der Charakter des Landes ist von touristischen Highlights geprägt. Wenn ich jetzt aus dem Fenster schaue, dann möchte ich auch nicht unbedingt, dass direkt neben dem See ein großes Produktionsgebäude steht. Die schöne Landschaft soll ja erhalten bleiben.
Ein Standortvorteil von Salzburg ist aber definitiv die gute Infrastruktur und die verkehrsmäßig gute Anbindung. Auch mit der Universität in der Nähe kann man kooperieren. Das ist hilfreich, wenn es um Entwicklungsprojekte geht. Auch der Personalmarkt ist in Salzburg sehr gut – man ist verblüfft, wenn man sieht, welche Qualitäten und Qualifikationen es gibt. Auch hier profitiert man vom universitären Großraum in der Nähe. Eine weitere Standortvorraussetzung, die von den meisten unterschätzt wird, die aber in den letzten Monaten der Pandemie sehr deutlich sichtbar geworden ist, ist die Datengeschwindigkeit. Diese ist für Anwendungen, wie wir sie haben, entscheidend. Der Ausbau der Daten-Backbones, der Internetleitungen, wird zur herausragenden Aufgabe. Auch für die Politik. Aber man muss einfach sagen, dass die Datengeschwindigkeit in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern noch immer zu langsam ist.
Warum ist eine hohe Datengeschwindigkeit für die Wirtschaft so wichtig?
Viele können sich sicher noch an die Zeit erinnern, wo die Ressource Mensch in unseren Ländern zu teuer geworden ist. Da sind viele Betriebe ins Ausland gewandert, wo es billigere Arbeitskräfte gab. Das hat uns in Österreich viele Arbeitsplätze gekostet. Und die Politik und die Gesellschaft hat es viel Zeit und Geld gekostet, die Wirtschaft so umzustrukturieren, dass andere, höherqualifizierte Arbeitsplätze entstanden sind. Dieser Umbruchprozess war aufwendig, hat sich aber ausgezahlt. Heute müssen wir aufpassen, dass keine Abwanderung von Unternehmen und Mitarbeiter:innen aufgrund von zu schlechter Datenanbindung geschieht. Das ist besonders für Entwicklungsstandorte wichtig. Denn diese sind darauf angewiesen, dass sie Datengeschwindigkeit auf maximalem Niveau zu erschwinglichen Preisen bekommen. Schaut man über die Grenze, vielleicht 50 - 100 Kilometer weiter weg, und dort ist ein Standort, wo alles besser funktioniert, dann sind diese Unternehmen sehr schnell aus dem Rechtsraum Österreich draußen. Und die Arbeitsplätze gehen dann verloren, genauso wie Steuereinnahmen. Es geht darum, Chancengleichheit herzustellen. Ich bin davon überzeugt, dass es heutzutage einfacher ist, diese Datenautobahnen zu bauen, als wie damals vor 40 oder 50 Jahren billige Arbeitskräfte herzubekommen.
An diesem Beispiel sieht man gut, dass sich nicht nur die Zeiten, sondern auch die Ressourcen und die Bedürfnisse ändern. Vielen Dank für das Gespräch!
Gerne!